Unsere Betagten in Corona Zeiten

Dez 4, 2020

Wir sind sehr dankbar, dass bislang keiner unserer Holocaust Überlebenden an Corona erkrankt ist. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Zeit großen Einfluss auf sie hat. Wie schlagen sie sich durch? Ein paar Beispiele aus der Praxis, denen wir begegnet sind:

Rachel (fiktiver Name) lebte schon zuvor sehr isoliert und hielt sehnsuchtsvoll Ausschau nach unseren Besuchen. Aber seit März, seit das Corona Virus aufgetaucht ist, sieht sie sich genötigt, niemand mehr zu empfangen und selbst nicht mehr vor die Tür zu treten. Ihr Leben spielt sich jetzt nur noch in den paar Quadratmetern ihres Hauses ab, aus lauter Angst vor dem Virus. Sie sagt, dass sie sich selbst diese Quarantäne auferlegt, da sie niemand hat, der sie versorgt, wenn sie krank wird. Welch ein Leid! Für uns bedeutet es, auf Abstand, so gut es geht in Kontakt zu bleiben und sie mit den Grundnahrungsmitteln zu versorgen. Nach Rücksprache mit einer Suppenküche empfängt sie jetzt warme Mahlzeiten und der Kontakt mit dem Bring Service an der Tür ist nun ein Lichtstrahl, auf den sie sich freut. Wir freuen uns auf den Tag, an dem diese Frau von ihrer Angst vor dem Virus befreit wird und wir sie wieder in unsere Arme schließen können.

Bei Moshe (fiktiver Name) treffen wir eine ganz andere Situation an. Er dementiert und wohnt zusammen mit seinem verstandsmäßig leicht gehandicapten Sohn. Für Moshe ist es ungewöhnlich, dass wir Mundschutze tragen. Er fragt uns regelmäßig, wer wir sind und warum wir das Teil vor dem Gesicht tragen. In seiner Welt gibt es keine Grenzen und keinen 1,5 Meter Abstand. Es war zu erwarten, dass er mich zum Abschied fest in seine Arme nahm. Ob ich denn abends wieder kommen würde und morgen auch … . Für ihn besteht kein Corona … und das ist auch gut so.

Eli (fiktiver Name) ist ein einundneunzigjähriger russischer Mann, der noch stets für sein Sportcoaching lebt. Seine Zeit, Andacht und Energie steckt er darin. Täglich steht er mittels Telefon oder Internet in Kontakt mit seinen Klienten in Israel und Weißrussland. Mittlerweile mit einer XL-Tastatur und einem XL-Bildschirm, da seine Augen schwächer werden. Aber von Aufhören ist keine Rede; seine Kenntnisse vermitteln, dass ist seine Leidenschaft. Mit oder ohne Corona, von zu Hause aus wird weiter gecoacht. 

Einfach so – drei verschiedene Situationen in dieser doch merkwürdigen und bizarren Zeit.